Wenn die Antriebsleistung effizient „um die Ecke“ gehen soll
Kronenradgetriebe mit optimierter Auslegung
Donnerstag, 12. September 2024
| Redaktion
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Das evolventische Antriebsritzel beim Kronenradgetriebe baut zylinderförmig und der Kontakt zwischen Ritzel und Abtriebsrad ist ein Wälzkontakt
Das evolventische Antriebsritzel beim Kronenradgetriebe baut zylinderförmig und der Kontakt zwischen Ritzel und Abtriebsrad ist ein Wälzkontakt, es treten kaum Reibungsverluste auf, Bild: Ebm-Papst)

Kronenradgetriebe gelten als besonders effizient und wirtschaftlich. Durch ihre hohen Wirkungsgrade setzen sich immer häufiger gegen Schnecken- oder Kegelradgetriebe durch. Angestoßen durch die steigende Nachfrage aus der Industrie wurde die Auslegung der Verzahnungsteile der Kronenradgetriebe und deren Fertigungstechnik stetig weiter verbessert. Kombiniert mit modernen EC-Motoren entstehen so kompakte und robuste Antriebssysteme, die Leistung auch bei beengten Einbauverhältnissen wirkungsvoll „um die Ecke“ bringen. Typische Anwendungen finden sich bei Umreifungsmaschinen ebenso wie bei fahrerlosen Transport- und Shuttlesystemen oder bei Tor- und Schranken-Antrieben.

Immer noch denken die meisten im Zusammenhang mit Winkelgetrieben als erstes an Kegelrad- oder Schneckengetriebe. Allerdings nimmt man bei deren Einsatz auch immer Nachteile in Kauf: Schneckenradgetriebe haben prinzipbedingt einen Achsversatz zwischen eintreibender und abtreibender Welle und arbeiten mit vergleichsweise schlechten Wirkungsgraden, sodass die Motoreinheit der Antriebseinheit oft größer dimensioniert werden muss. Kegelradgetriebe sind in der Untersetzung üblicherweise auf maximal 5:1 beschränkt und daher meist auch nicht die ideale Wahl. Ihre Wirkungsgrade sind zwar recht hoch, allerdings ist sowohl die Herstellung der Verzahnungsteile als auch die Montage, speziell das Ausrichten der Verzahnungsteile zueinander, vergleichsweise aufwendig, was sich natürlich im Preis niederschlägt. Wer ein besonders wirtschaftliches und effizientes Winkelgetriebe sucht, sollte sich deshalb mit der Kronenradtechnologie beschäftigen.

Hohe Effizienz bei großer Untersetzung

Wenn man sich den Aufbau der verschiedenen Winkelgetriebe näher anschaut, versteht man schnell, warum Kronenradgetriebe für viele Anwendungen eine gute Lösung sind. Die Zahnräder von Kegelradgetrieben haben eine Kegelform. Die Getriebefunktion ist nur dann einwandfrei, wenn sich die Mittellinien der Kegelräder genau in einem Punkt schneiden. Schon alleine die Wärmeausdehnung im Betrieb kann die Funktion daher beeinträchtigen. Schneckenradgetriebe sind da weniger empfindlich, aber bei ihnen ist die Richtung des Kraftflusses sehr ungünstig. Das Drehmoment bewirkt in erster Linie eine Zug- bzw. Druckbelastung des Schneckenritzels. Da das Ritzel auf dem Schneckenrad gleitet, werden so je nach Untersetzung bis zu 2/3 der eingebrachten Antriebsenergie in Wärme umgewandelt. Der Motor und das Getriebe müssen daher größer dimensioniert werden als eigentlich notwendig, um die gewünschte Leistung zu erreichen. Zusätzlich ist axiale Belastung der Schnecke durch entsprechend dimensionierte Axiallager aufzufangen.

Bei den Kronenradgetrieben „EtaCrown“ und „EtaCrownPlus“ aus dem modularen Antriebssystem von Ebm-Papst ist das evolventische Antriebsritzel zylinderförmig gebaut. Der Kontakt zwischen Ritzel und Abtriebsrad ist ein Wälzkontakt. Es treten kaum Reibungsverluste auf. Der Wirkungsgrad liegt daher auch bei hohen Untersetzungen im Bereich von 90 Prozent. Die Motorleistung steht so fast vollständig der Antriebsaufgabe zur Verfügung. Zehn Prozent Verlustleistung gegenüber bis zu 75 Prozent bei herkömmlichen Schneckenradausführungen, abhängig von der gewählten Untersetzung, eröffnen auch bei kleinen Antrieben ein enormes Sparpotential. Oft kann man den Antriebsmotor zudem kleiner dimensionieren und Bauraum sowie Kosten sparen.

Verbesserte Verzahnungstechnik und Schmierung

Die Kronenradgetriebe decken in unterschiedlichen Baugrößen die Untersetzungen im einstufigen Bereich bis 10:1, zweistufig bis 113:1 und dreistufig bis 289:1 ab. Dabei erfüllen die Getriebe höchste Anforderungen. So hat der Hersteller gemeinsam mit dem Lehrstuhl für Maschinenelemente der TU München im Rahmen eines Förderprojekts umfangreiche Forschungen rund um die Verzahnungstechnik betrieben. In diesem Zusammenhang wurde eine Software entwickelt, mit deren Hilfe sich erstmals für die Auslegung wichtige Parameter realistisch berechnen lassen. Dazu gehören Geometriebestimmungen oder Zahnkontaktanalysen unter Last. Hüllschnittkurven beispielsweise geben die Geometrie der Kronenradflanke und deren Grenzbereiche wieder oder die Linienlast zeigt die auf Millimeter normierte Kraft an der Flankenlinie des Kronenradzahns. Die Gleitgeschwindigkeiten zeigen an, wie groß die Abwälzgeschwindigkeiten an der Kronenradflanke sind. Die Werte werden auf leistungsfähigen Prüfständen validiert und dienen schlussendlich auch der Fertigungsoptimierung.

Auch die Schmierung wurde verbessert. Normalerweise gibt es bei Getrieben immer das Problem, dass das Schmiermittel aus den Verzahnungsbereichen der Getriebezahnräder nach und nach verdrängt wird und sich in benachbarten Bereichen ansammelt. Die Verzahnungen werden dadurch über die Lebensdauer nicht richtig geschmiert, was zu einem übermäßigen oder vorzeitigen Verschleiß führen kann. Bei der Weiterentwicklung der Kronenradgetriebe ließ sich das jetzt verhindern: Ein patentierter Trenneinsatz im Gehäuse hält das Schmiermittel dort, wo es hingehört, nämlich an der Verzahnung der Zahnräder.

Antriebe für Verpackungstechnik und Intralogistik

Typische Anwendungsbereiche für die vielseitigen Winkelgetriebe finden sich in Verpackungstechnik und Intralogistik, zum Beispiel bei fahrerlosen Transportsystemen, mobilen Robotern oder Shuttles. Hohe übertragbare Drehmomente, Langlebigkeit sowie die kompakten Abmessungen sprechen für den Einsatz eines Kronenradgetriebes. Da beim „EtaCrown“ der Motor mit Antriebsritzel und die Abtriebsachse in einer Ebene liegen, lässt sich das Getriebe problemlos auch spiegelverkehrt einbauen, das reduziert die Lagerhaltung und vereinfacht die Logistik.

Kronenradgetriebe in Tür- und Torantrieben

Weitere Anwendungen, für die sich die Kronenradgetriebe eignen, gibt es viele. Typische Gründe für ihren Einsatz sind außer den hohen Wirkungsgraden das hohe übertragbare Drehmoment und die fehlende Selbsthemmung. Bei Schranken und Zugangskontrollsystemen beispielsweise lassen sich die Getriebe im Notfall auch bei hoher Untersetzung problemlos manuell zurückdrehen, ohne dass Komponenten zur Entkopplung notwendig sind, um den Antrieb vor Beschädigung zu schützen. Durch die versatzlose Bauweise ist die Motor-Getriebe-Kombination zudem gut in den Türprofilen integrierbar. Es gibt keine Motorüberstände. Das vermeidet Aussparungen oder zusätzliche Abstandsflansche zur Überbrückung von Abständen. Die Symmetrie in der Getriebekonstruktion macht Versionen für linken oder rechten Anschlag überflüssig. Die Bremse kann direkt an der Antriebswelle oder aber wie gewohnt an der B-Seite des Motors montiert werden, was den Aufbau vereinfacht und das Antriebssystem kompakter macht.

Autoren:
Friedrich Obermeyer
Technologie & Methoden, Industrielle Antriebstechnik
Ebm-Papst St. Georgen 

Patrick Schumacher
Leiter Produktmanagement, Industrielle Antriebstechnik
Ebm-Papst St. Georgen

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