EAD-Talk über schaltschranklose Automatisierung von Beckhoff

Daniel Siegenbrink, Produktmanager für den Automatisierungsbaukasten MX-System, im Gespräch

Daniel Siegenbrink von Beckhoff

„Ingenieure müssen die Welt retten“, so lautet ein Leitsatz von Hans Beckhoff. In seinem Unternehmen werden seit Jahren neue technische Lösungen mit dem Anspruch entwickelt, Prozesse zu revolutionieren. Ein Beispiel ist der Automatisierungsbaukasten MX-System, der den Schaltschrank überflüssig machen soll. Daniel Siegenbrink ist bei Beckhoff der verantwortliche Produktmanager für das System. Im exklusiven EAD-Talk Interview hat er gezeigt, wie sehr die neue Technik die Anlagenautomatisierung vereinfacht, selbst für Hausmeister. Er stellt ungewöhnliche Einsatzmöglichkeiten vom U-Boot bis zum Spargelschälautomaten vor. Zudem wird ein Blick auf Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Heavy Metal auf Vinyl geworfen.

Noch viel ungewöhnlicher ist die Anwendung bei einem regionalen Maschinenbauer, der einen Spargelschälautomaten für den Einsatz im Supermarkt entwickelt hat. Hier waren wir anfangs skeptisch, weil nur ein sehr kleiner Schaltkasten an der Maschine angebracht war. Die Initiative lag bei den pfiffigen Ingenieuren des Kunden, die die Vorteile erkannt haben, ohne dass wir sie darauf hinweisen mussten: Das Gerät steht im Supermarkt, weit weg von jedem fachkundigen Techniker. Aber mit unserer Diagnose-App und den einfach zu tauschenden Modulen muss bei Problemen auch kein Servicetechniker mehr ran. Die Module kann einfach der Hausmeister des Supermarkts über Ein- und Ausstecken tauschen. Da muss man erst mal darauf kommen. Also haben wir die Idee sowohl technisch als auch kommerziell geprüft und können mit dem MX-System den Spargelschälautomaten ökonomisch automatisieren.

Haben Sie als verantwortlicher Produktmanager eine persönliche Lieblingsanwendung?

Meine Lieblingsanwendung ist momentan das Projekt für unseren eigenen Maschinenbauer, weil ich das Vorhaben ganz intensiv betreuen darf. Ich habe selbst 27 Jahre im Maschinenbau gearbeitet und das ist für mich eine Reise „back to the roots“. Wir sind in der ganzen Maschinenkonstruktionsphase detailliert dabei. Es ist eine schöne Abwechslung, weil ich sonst als Beckhoff Mitarbeiter einen Schritt weiter hinten stehe und Kunden bei Projekten berate, ohne einen Fuß in die Produktionshalle zu setzen. Aber hier darf ich ganz tief in der Maschine mit rumwühlen und kann alles, was ich an Wissen in den letzten Jahrzehnten gesammelt habe, mit einbringen – plus das MX-System. Das ist eine spannende Sache!

Wenn Beckhoff neue Produkte entwickelt: Welche Kriterien werden hier angesetzt?

Die Produkte sollen schnell, präzise und high-end sein, denn wir wollen mit jedem neuen System auch einen neuen Standard in der Automatisierungstechnik definieren. Beckhoff hat schon einige Trends gesetzt, die den Markt revolutioniert haben. Produkte werden verbessert, um die Kundenanforderungen zu erfüllen. Unser Kredo lautet: „Wir müssen die Kunden verstehen und umsetzen, was sie sich wünschen, um den Markt weiter voranzubringen“.
Wir sehen uns als Technologieunternehmen für evolutionäre und kontinuierliche Entwicklung von Automatisierungstechnik. Eigentlich soll alle fünf bis sieben Jahre ein revolutionäres Produkt vorgestellt werden, wie die Ethercat-Kommunikation, die jetzt weltweit der Standard ist, gerade im Antriebsbereich. Oder die Busklemme aus dem Hause Beckhoff, die heute jedes Automatisierungsunternehmen anbietet. In den letzten Jahren unterschreiten wir diese Zeitspanne immer häufiger, beispielsweise mit dem MX-System, „XPlanar“ oder XTS, auch mit Atro. Auf der Hannover Messe haben wir die KI „ChatGPT“ in Twincat integriert. Am Ende sind es einfache Dinge, aber Beckhoff ist gut darin, diese zu erkennen und umzusetzen.

Wir sagen immer: „Ingenieure müssen die Welt retten“. Auch im Sinne der Nachhaltigkeit gibt es viele Kundenanfragen. Automatisierung sorgt durch gute und präzise Regelungstechnik dafür, dass man Energie und Rohstoffe sparen kann. Und das muss man in der industriellen Produktion einfach umsetzen, um den Kundenanforderungen im Sinne des Klimawandels und der Nachhaltigkeit gerecht zu werden. Lebensmittelverpackungen sind ein gutes Beispiel. Nahrungsmittel sollen damit haltbar gemacht werden, um sie sicher zum Verbraucher zu transportieren und so der Lebensmittelverschwendung entgegenzuwirken. Aber es braucht umweltfreundliche Verpackungen und hier hilft Automatisierungstechnik, diese neuen Materialien zu verarbeiten.

Sie sprachen gerade Nachhaltigkeit an. Welchen Stellenwert hat dieses Thema in der Entwicklung einer Produktlinie?

Wir achten dabei auf unseren ökologischen Fußabdruck, das hat einen großen Einfluss auf die Produktentwicklung. Beim MX-System haben wir im Vergleich zum Schaltschrank deutlich weniger Bauteile, allein das spart schon Material ein. Weniger Komponenten bedeuten auch weniger Ersatzteile, die irgendwann zum Einsatz kommen könnten. Ein wichtiges Argument ist auch, dass wir in dem Bereich der Leistungselektronik fast durchgehend auf Halbleiter mit minimalen Verlustleistungen setzen, sodass nicht nur weniger Energie für den Betrieb, sondern auch keine zusätzliche Energie für eine aktive Kühlung benötigt wird.

Auch im Unternehmen wird beispielsweise mit Solaranlagen und E-Mobility eine Menge unternommen. Inzwischen hat Beckhoff in Verl mehr als 170 Ladestationen für die Mitarbeiter aufgestellt. Alle neuen Gebäude werden mit Photovoltaik bestückt. Es sind Carports geplant, die über Solarzellen den Strom für Elektroautos liefern sollen. Wir versuchen, CO2-neutral zu werden. Natürlich kommt man als produzierendes Unternehmen nicht an Kompensation vorbei. Aber wir orientieren uns an den jüngsten Erkenntnissen und arbeiten für die Zertifizierung mit ausgewählten Projekten zusammen, um das restliche CO2 zu kompensieren.

Wie profitieren Anwender hinsichtlich Digitalisierung vom Einsatz?

Digitalisierung ist ein Aspekt, welchen das MX-System auf unterschiedlichen Ebenen anspricht. Eine der Ebenen ist der Fachkräftemangel. Die Planung einer Schaltanlage auf Basis des MX-System-Baukastens reduziert die Aufwände deutlich. Speziell dafür entwickeln wir zurzeit auch ein Drag-and-Drop-Planungstool, das viele der bisherigen sequenziellen Schritte der Planung parallelisiert. Zusätzlich haben wir für den Betrieb der Anlage die Digitalisierung vorangetrieben, indem wir für die Diagnose von möglichen Fehlerzuständen das klassische Multimeter durch eine Diagnose-App ersetzen. Mit dieser App wird das Smartphone zum Multimeter. Die andere Ebene der Digitalisierung ist, dass das MX-System ausschließlich Funktionseinheiten enthält, die Teilnehmer eines Ethercat-Netzwerkes sind. Die zentrale Steuerung hat daher gegenüber dem klassischen Schaltschrank viel mehr Informationen über Zustand jeder Baugruppe. Diese Daten ermöglichen zusätzliche Analysen für die Optimierung von Prozessen und Predictive-Maintenance-Maßnahmen.

Wenn sich Ihr ganzer Arbeitstag um Automatisierung für den Maschinenbau dreht: Was macht der Privatmann Daniel Siegenbrink nach Feierabend?

Ich bin eigentlich überall ein Rast- und Ruheloser. Was mich antreibt ist die Arbeit im Team, mit Kollegen Dinge voranbringen und fertigzustellen. Unglücklicherweise trage ich eine gewisse Unzufriedenheit oder besser Unruhe in mir und so muss morgen immer schon wieder das Nächste kommen. Ganz anders verhält es sich bei meiner größten Leidenschaft, der Musik. Man darf mich nicht singen lassen und auch mit Instrumenten sieht es schlecht aus. Aber ich habe eine recht große Musiksammlung, seit anderthalb Jahren auch wieder auf Vinyl. Ich höre Schallplatten sehr gerne, das hat schon fast etwas Meditatives. Man packt sie aus, legt sie auf den Plattenspieler und hört sie von Anfang bis Ende, kein ungeduldiges Skippen wie bei einer CD oder beim Streaming. Am liebsten höre ich Heavy Metal und Hardrock. Da lasse ich es mir auch nicht nehmen, zum Konzert zu gehen, so wie kürzlich in Hamburg zu Metallica oder bald zu Iron Maiden. Meine Kinder sind mit fünf und sechs Jahren noch recht jung. Meine Tochter möchte immer im Auto die Eiskönigin hören, das kenne ich mittlerweile auswendig! Aber mein Sohn ist da eher mit mir auf einer Linie und kann auch schon gut dazu den Kopf schütteln, wenn Papa die richtige Musik anmacht.

Herr Siegenbrink, wir danken Ihnen für die Einblicke und das interessante Gespräch!

Hintergrund zu Daniel Siegenbrink

Daniel Siegenbrink, Jahrgang 1974, hat eine handwerkliche Ausbildung als Energieelektroniker abgeschlossen und später nebenberuflich Abschlüsse in Informatik, Betriebswirtschaft und Arbeitspsychologie erworben. Von 1994 bis 2011 war er bei verschiedenen Unternehmen für die Planung, Installation, Inbetriebnahme und Projektleitung von Handlingssystemen mit dem Einsatzschwerpunkt Automobilindustrie in unterschiedlichen Funktionen zuständig und verantwortlich. Danach hat er bis zum Jahr 2017 als Bereichsleiter die Entwicklung von Steuerungslösungen für Druck- und Etikettier-Maschinen zur Kennzeichnung von Verpackungen für Lebensmittel verantwortet. Seit Herbst 2017 arbeitet er für Beckhoff Automation und ist dort als Produktmanager zuständig für die Koordination der Entwicklung des MX-Systems, welches die Beckhoff-Antwort auf die Frage nach einer schaltschranklosen Maschine ist.
 

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