Predictive Maintenance: Industriedienstleister Yncoris setzt auf retrofit-fähige Sensorik

Just in time, nicht just in case

Mit dem Sensor „u-sense vibration“ lassen sich Pumpen einfach überwachen und wertvolle Informationen für Betrieb und Wartung gewinnen

Auf nahezu jeder Fachmesse werden digitale Zwillinge hochmoderner Industrie 4.0 Anlagen vorgestellt. Der Alltag ist jedoch das Brownfield, Fabriken, in denen Anlagen und Maschinen unterschiedlichster Generationen im Einsatz sind. Doch auch diese lassen sich ins IIoT integrieren. Auf Basis smarter, retrofit-fähiger Sensoren, wie „u-sense vibration“, bietet Weidmüller Lösungen für die Automatisierung und Digitalisierung vorhandener Anlagen. Der Industriedienstleister Yncoris nutzt sie, um Verschleißerscheinungen an Pumpen frühzeitig zu erkennen und die Daten vielfältig nutzbar zu machen.

Intelligente Sensorik erleichtert schon lange die Wartung von Maschinen. Anhand von Schwingungsanalysen lassen sich Verschleißerscheinungen ausmachen, bevor sie zu Störungen oder Ausfällen führen. Der Betreiber kann damit Service- und Wartungspläne erstellen, die sich am tatsächlichen Bedarf, nicht an einem starren Zeitschema orientieren. Viele Hersteller rüsten ihre Maschinen bereits ab Werk mit entsprechender Sensorik aus. Allerdings hat der Kunde nicht automatisch Zugriff auf die Daten. Vielmehr nutzen die Hersteller die Informationen bevorzugt selbst, um entsprechende Wartungsverträge oder einen rechtzeitigen Austausch anzubieten. Der Industriedienstleister Yncoris wollte sich damit nicht zufriedengeben und plante eine eigene Lösung.

Partnerschaft zwischen Chemiespezialist und IIoT-Enabler

Yncoris ist bekannt als einer der führenden industriellen Dienstleister und zudem Betreiber des Chemieparks Knapsack bei Köln, Hürth. Für die Produktion am Standort stellt das Unternehmen neben Strom verschiedene Gase und Flüssigkeiten über ein Rohrleitungssystem zur Verfügung. Dazu gehören hunderte von Pumpen, die zuverlässig funktionieren müssen. Strikte Wartungspläne, Begehungen und auch ein genaues Hinhören mit menschlichen Ohren stellten den Betrieb sicher. Zeitweise nutzte Yncoris auch den Service eines Pumpenherstellers, der seine Aggregate mit Schwingungssensoren ausgerüstet hat. Allerdings wollte man sich nicht zu sehr von einem externen Serviceanbieter abhängig machen, und das nicht nur aus finanziellen Gründen. Vor allem sollten sensible Daten das Werksgelände nicht verlassen. Das Unternehmen installierte daher ein eigenes System einschließlich der nötigen Infrastruktur, um die gewünschten Messwerte aufzunehmen.

Für die technische Umsetzung holte sich Yncoris die Experten von Weidmüller ins Boot. „Wir sehen in Weidmüller einen Partner, der uns mit State-of-the-Art-Technologie versorgt, mit dem wir aber auch vertrauensvoll zusammenarbeiten können, insbesondere was den Austausch von Know-how betrifft“, so Marco Knödler, Teamleiter MSR-Technik bei Yncoris. Weidmüller ist in der Tat weit mehr als ein Hardwarespezialist. Anspruch des Detmolder Unternehmens ist es, als Enabler from Data to Value für den Kunden möglichst einfache und durchgängige Lösungen zu erarbeiten. Für die Sensorik bietet das Unternehmen die komplette Kette, von der Datenerfassung über die Vorverarbeitung und Kommunikation bis zur Analyse alle Möglichkeiten, aus Informationen einen Mehrwert zu generieren. Der Kunde hat jedoch alle Freiheiten, nur die Module zu nutzen, die er benötigt. Gerade Chemieunternehmen scheuen aufgrund der hohen Sicherheitsanforderungen die Umsetzung digitaler Projekte in der Produktion. Für Yncoris war deshalb das Weidmüller-Konzept in mehrfache Hinsicht ideal: Es war nachrüstbar und es verfügte über Schnittstellen, an denen Yncoris frühzeitig die Daten übernehmen konnte. Herzstück hierfür ist der Vibrationssensor „u-sense vibration“.

Mit dem Sensor ganz dicht an der Maschine

„u-sense vibration“ ist ein kompakter Sensor zur Zustandsüberwachung von Maschinen auf Basis der Vibrationsanalyse. Die Überwachung der Gesamtschwingung erfolgt nach DIN ISO 10816, zusätzlich wird auch eine FFT-basierte Frequenzanalyse (fast Fourier transform / schnelle Fourier-Transformation) unterstützt. Er wurde insbesondere für kontinuierlich laufende Pumpen, Kompressoren und Antriebe konzipiert. Ein Highlight ist die Nachrüstbarkeit: Dank Stromversorgung über Batterie, kabelloser Datenübertragung und Schutz gemäß IP66 lässt sich der kompakte Sensor auch an älteren Maschinen problemlos montieren. Zur Befestigung stehen standardmäßig eine M8-Schraubverbindung und ein Adapter zur Verfügung.
Bereits im Sensor erfolgt eine Datenvorverarbeitung der Beschleunigungsdaten zu statistischen Kenngrößen und Schwingungsspektren. Die Resultate werden als digitale Messwerte vom Weidmüller Gateway IoT-GW30 aufgenommen und weiterverarbeitet. Durch das Gateway können die vom Sensor erfassten Daten zwischengespeichert, verarbeitet, visualisiert und in eine Cloud oder ein lokales System übertragen werden. Diese Leistungsmerkmale überzeugten auch Yncoris.

Vom Feldtest zum Standard

Bereits erste Tests erwiesen sich als erfolgreich. Die Instandhaltung versah mehrere Pumpen mit den Sensoren. Die unternehmenseigene IT nutzte das Gateway von Weidmüller, um die Daten zu sammeln und im eigenen Netzwerk zu visualisieren. Im nächsten Schritt wurden die Informationen und Sensoren in eine IoT-Plattform integriert. So ließen sich die eigenen Messungen mit den vom Pumpenhersteller erhobenen Daten vergleichen. Die Ergebnisse stimmten überein. Yncoris stattete daraufhin auch den eigenen Pumpenprüfstand mit der selbst entwickelten Lösung aus und kann nun umfangreiches Datenmaterial gewinnen. Rund 800 Pumpen setzt das Unternehmen pro Jahr instand. Zusätzlich zur Wartung kann interimsmäßig ein „u-sense vibration“ Sensor auf der Pumpe montiert werden, um die Vibration der frisch gewarteten Pumpe bei Durchlaufen der Kennlinie aufzunehmen. Zukünftig sollen die Pumpen an ihrem Arbeitsort mit einem dauerhaft montierten Sensor überwacht werden.

Mit den Sensoren an den Pumpen lassen sich nun die Schwingungskurven von defekten und von instandgesetzten Geräten vergleichen. Durch die unterschiedlichen Schadensbilder bei den verschiedenen Aggregaten entsteht umfassendes und belastbares Datenmaterial. Das ist aber nur ein erster Schritt. Zusammen mit dem Fachwissen aus der Pumpenwerkstatt und den Instandhaltungserfahrungen aus dem Chemiepark kann Yncoris Informationen generieren, die auch für den Anlagenfahrer im täglichen Einsatz von maximalem Nutzen sind. Statt eines schlichten Messwerts soll er zukünftig Meldungen erhalten wie „Ein Schaden kündigt sich an“. Das entlastet ihn davon, in dem ohnehin anspruchsvollen Tagesgeschäft auch noch Messwerte zu interpretieren. Für Spezialisten will das Unternehmen außerdem ausführliche Daten zur Tiefendiagnose bereithalten.

Noch tiefer ins Industrial IoT - aber sicher

„Die Lösung mit der Weidmüller Sensorik hat für Yncoris nicht nur wirtschaftliche Vorteile, wie die Unabhängigkeit von den Serviceleistungen der Pumpenhersteller. Sie garantiert auch die Hoheit über die gewonnenen Daten“, lobt Knödler. Sie werden bewusst auf einer unternehmenseigenen IoT-Plattform und nicht in einer öffentlichen Cloud gespeichert, um mögliche Vorbehalte aufgrund der sensiblen Prozessdaten gar nicht erst aufkommen zu lassen. Keine Information verlässt den Chemiepark - außer der Kunde wünscht es.

Auch Weidmüller profitiert von der Kooperation: „Da Yncoris als Fokuskunde während der Entwicklung des Projekts stets im engen Austausch mit unseren ‚u-sense‘-Spezialisten stand, Produkte erprobt und validiert hat, konnten beide Partner viel Know-how generieren. Wir wollen deshalb auch zukünftig zusammenarbeiten und beide Geschäftsmodelle weiterentwickeln“, erklärt Michael Piekarzewitz, Leiter Energy Management Solutions bei Weidmüller, und ergänzt: „Weidmüller fokussiert sich dabei auf seine Rolle als Enabler from Data to Value. Der Kunde bringt sein Fachwissen ein und wählt die gewünschten Leistungen. Weidmüller stellt auf allen Ebenen der IIoT-Wertschöpfungskette Komponenten, Software und Lösungen zur Verfügung, die perfekt in das Anforderungsprofil des Kunden passen.“

Autor: Dr. Joachim Kastner, Strategic Program Manager bei Weidmüller