EAD-Talk: „Mit KI und Optik arbeitet der Cobot mit Faktor 10“

Marcel Kiessling, Geschäftsführer bei Gerhard Schubert, im Gespräch mit EAD-portal.de über additive Fertigung künstliche Intelligenz, die Robotern das Sehen beibringt

Marcel Kiessling, Geschäftsführer bei Gerhard Schubert für Verkauf und Service

Wie schafft es ein deutscher Maschinenbauer für Verpackungsanlagen, zum gefragten Arbeitspartner hinsichtlich additiver Fertigung, vorausschauender Wartung oder gar kooperativer Roboter zu werden? Marcel Kiessling von Gerhard Schubert sprach mit EAD-portal.de über 3D-Druck, der Kunden Flexibilität im Produktionsprozess schenkt, hochsichere Plattformen, die Produktionsstillstände verhindern und vor allem über den Cobot „Tog.519“, der zehnmal so schnell arbeitet wie herkömmliche kollaborative Robotersysteme.

Es gibt hier keine Deadline. Das Unternehmen läuft im Rahmen unserer Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten. Die Kollegen werden mit ihrem Know-how involviert, wenn wir mit neuen Maschinen bestimmte Leistungen erreichen wollen, um mit KI eine Optimierung zu erzielen.

Vor drei Jahren hat ihr Unternehmen die Plattform Grips-World vorgestellt, um das Thema vorausschauende Wartung bedienen zu können und die Gesamtanlageneffektivität zu verbessern. Hat sich die digitale Plattform bei ihren Kunden etabliert?

Unsere Kunden wollen ihre Anlagen am Leistungsmaximum fahren. Sie wünschen sich absolute Zuverlässigkeit ihres Equipments ohne ungeplante Stillstände. Wir sind in der Lage, die Maschinen laufend zu überwachen und vorbeugend, also präventiv, Wartungsangebote zu machen. Dafür müssen wir Probleme in der Anlage erkennen, bevor diese überhaupt auftreten. Dann können bei geplanten Wartungsstillständen die Maschinenteile getauscht werden, bevor es einen ungewollten Stopp in der Produktion gibt.

Mit Grips-World machen wir die Leistung der Maschine über ein Performance-Reporting sichtbar. Der nächste Schritt ist die Intensivierung der Präventivwartung. Mittlerweile statten wir jede Maschine mit dem GS-Gate aus. Das ist ein Edge-Computing-Interface, welches die Daten der Maschine einsammelt und analysiert und die Schnittstelle für Remote-Service. Das Gate schützt die Maschine vor dem Kundennetzwerk, aber auch andersherum. IT-Sicherheit hat eine große Rolle gespielt, deshalb haben wir das System zusammen mit der Firma Genua entwickelt, die zur Bundesdruckerei gehört. Die Architektur des GS-Gate ist eine der sichersten, die man sich hier vorstellen kann. Wie immer müssen die Kunden einen Nutzen davon haben. Die Maschinen müssen am Maximum laufen können, ungeplante Stillstände müssen wir vermeiden.

Eigentlich sollten auf der Interpack im Mai 2020 die neuen Anlagen vorgestellt werden. Auch der Cobot sollte erstmals an die Öffentlichkeit. Corona hat uns allen hier einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Das stimmt, eigentlich wollten wir auf der Interpack den Prototypen eines kooperativen Roboters, unseres Cobots, vorstellen. Wir finden, dass die heutigen Systeme für die Verpackungsindustrie einen entscheidenden Nachteil haben. Das ist die geringe Geschwindigkeit. Im industriellen Umfeld muss der Cobot zügiger arbeiten, mindestens zehnmal schneller als die heutigen Modelle. Unser System ist für leichtere Produkte geeignet. Hier geht es nicht um Palettier-Funktionen, sondern um schnelle Pick & Place Anwendungen ohne Käfig, in einer Umgebung, in der auch Menschen arbeiten. Das erfordert ein komplett neues Sicherheitskonzept bei diesem kollaborativen Roboter. Der Roboter braucht Augen über Optik und Kameras, die ihm ein Umgebungsbild vermitteln und zeigen, wo das Produkt liegt. Er benötigt auch künstliche Intelligenz, neuronale Netze, um entscheiden zu können, wo genau das Produkt liegt, um es dann richtig greifen zu können. Wir müssen dem Roboter das Sehen beibringen.

Das Thema wird bei Gerhard Schubert in einer Art Start-Up vorangetrieben, in dem sowohl langjährige Schubert Mitarbeiter als auch junge Hochschulabsolventen arbeiten. Derzeit gibt es vier Prototypen, die zum Testen zu Kunden gehen. Die Anwendungsbereiche liegen im Lebensmittelbereich, aber auch bei Kosmetik und Pharma, überall dort, wo leichte Produkte sehr schnell zuzuführen sind. Die Optimierung der Produktzuführung in die TLM-Anlagen könnte so ein Anwendungsfall sein. Auch im Kit-Assembling, bei dem verschiedene Produkte in einem Kit zusammengefasst werden sollen, oder bei der Garnierung von Produkten können hier hohe Stückzahlen verarbeitet werden. Also Anwendungen automatisiert, die heutzutage teilweise noch manuell erledigt werden. Der "Tog.519" – so heißt das erste Modell - orientiert sich an den Anwendungen.

Für dieses Jahr ist eine Vorserie angedacht, weil das Interesse schon jetzt sehr groß ist. Eigentlich wollten wir einen Prototypen mit einer konkreten Kundenanwendung auf der Messe zeigen. Leider ist die Interpack ausgefallen. Für 2021 haben wir den Start der Serienplanung angedacht.

Herr Kiessling, wir danken Ihnen für dieses interessante Gespräch!
 

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